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Benjamin, 3 Wochen Europapraktikum im IT-Support, Dublin, Irland

“Hello, how are ya?” - “Neugierig, organisiert und knauserig”

Neugier, Organisation, Geld. Wenn mich jemand fragt, wieso ich über das geförderte Erasmus+ Programm ins Ausland geflogen bin, so waren das meine Gründe, in der Reihenfolge. Ich bin neugierig, ich möchte die Welt, ihre Menschen und andere Schönheiten des Lebens erleben. Vieles weckt mein Interesse, aber am ehesten sind es Denkweisen, Welten, Landschaften und Schlösser, die mich interessieren. Und darum sollte ich das Reisen lieben. Vor allem, wenn Flug, Unterkunft, Nahrung und Versicherungen für einen organisiert werden. Außerdem kostete mich der organisatorische Aspekt 300 € Eigenanteil. Den Rest hat Erasmus+ getragen. In Dublin musste ich mich “nur” um Mittagessen und Dinge wie Sonnencreme, Snacks, Ausflüge und Tee kümmern. Durch die Unterstützung von Erasmus+, KulturLife, INI (Inter-National-Ireland) und Frau Stelzer war diese Reise in meiner Situation als Azubi erst möglich.

Praktikum

Nicht vergessen, es handelt sich um ein Auslandspraktikum, wodurch die Arbeitserfahrung ebenso im Fokus steht wie das Sightseeing. So wie in vielen Ländern der Welt arbeitet man in Irland durchschnittlich von neun bis siebzehn Uhr nachmittags. Und in einer großen Stadt wie Dublin pendelt man oftmals eine ganze Stunde zur Arbeit, bei mir waren es 20 Minuten mehr.

Ist es doof erst um 18:30 Uhr zuhause zu sein? Ein wenig.

Ist es schön, jeden Tag eine Stunde später aufzustehen? Auch ein wenig.

Das Wichtigste war jedoch der Spaß am Praktikum. Und der war mehr als gegeben. Bei Derrycourt Cleaning Specialists wurde ich im IT-Support eingesetzt. Das größte Reinigungsunternehmen Irlands hat ein sogenanntes “Head Quarters” in dem alles von Klienten, Arbeitskräften bis hin zum Lohn und der Bezahlung geregelt wird.

Es war das erste Mal, dass ich mit einem Ticketsystem konfrontiert wurde. Ein Ticketsystem ist ein Programm oder eine Webseite, mit der man Problemlösungsanfragen aufnehmen und verwalten kann. Meine Managerin hat die Tickets empfangen und geeignete Tickets an mich weitergeleitet. Typischerweise hatte das erste Problem mit einem Drucker zu tun. Und es sollte nicht das letzte Mal sein, dass ich einem Mitarbeiter beim Drucken helfen musste. Als IT-Support ist man das Mädchen für alles. Des Öfteren kamen Leute in unser Büro, um direkt um Hilfe zu bitten, mal war es der Drucker, mal gingen Verbindungen zwischen Geräten nicht, mal funktionierte das Telefon nicht, manchmal startete der Computer nicht.

Es gibt auch größere Projekte, von denen die Managerin mit ihrem Insiderwissen die meisten übernehmen musste. Für mich gab es zweierlei große Projekte:

● Aufräumen und Sortieren der IT-Schränke. Dazu habe ich ein Inventar angelegt und aufgeschrieben, wo was hinkommt, damit auch alles wieder in die Schränke passt und leichter auffindbar ist.

● Für meine Managerin habe ich eine “Landkarte” von allen erreichbaren Internetports samt Namen geschrieben. Dazu kam eine Liste im Serverraum mit den jeweiligen Ports in Relation zu den Arbeitsplätzen.

Glücklicherweise durfte ich viel mit Menschen interagieren, während ich an ihren Arbeitsplätzen etwas verbesserte oder reparierte. Die wohl ungewöhnlichste Aufgabe war es, den Feueralarm auszulösen - probeweise natürlich. Abgesehen von dem Feueralarm würde ich in meiner begrenzten Weisheit behaupten, die Aufgaben gleichen dem IT-Support in Deutschland.

Das Arbeiten mit Iren machte IRE viel Spaß. Neben ihrer Freundlichkeit, auf die ich später noch eingehen werde, sind sie in den Pausen auch redlich und bereit, über Irland und sich zu erzählen. Einige erzählten, wie sie nach Irland gekommen sind. Ebenso wie Dublin selbst, ist auch Derrycourt eine Ballung von Kulturen. Neben Italienern, Brasilianern und Südafrikanern bin ich auch Rumänen, Polen und Indern begegnet. Jeder begrüßt sich, fragt wie es einem geht und alle werden mit Vornamen angesprochen, selbst die Direktorin, welche auch die Gründerin von Derrycourt ist. Die Mitarbeiter waren begabt und produktiv genug, um mir zu helfen, mit mir zu reden und trotzdem noch ihre Aufgaben zu schaffen. Zum Beispiel half mir die Werbebeauftragte dabei, eine Auszeichnung vorzubereiten. Die Auszeichnung zur besten Managerin Dublins überreichte ich dann am vorletzten Tag meiner Vorgesetzten.

Erlebnisse

Als wir bei Olivia und John, unseren Gasteltern, ankamen, fanden wir keine Klingel. Was wir jedoch fanden, waren Kartoffeln, fast jeden Abend, in jeder erdenklichen Form. Iren lieben Kartoffeln. Fast so sehr, aber nur fast so sehr, wie Iren Tee. (Ja, ich mag schlechte Wortwitze). Der irische Tee, ein schwarzer Tee der besonderen Art, wird dort mit Milch und Zucker getrunken. Wo wir gerade bei Zucker sind, kennt ihr das Sprichwort ”Du bist nicht aus Zucker” in Bezug auf Regen? Oh Junge, wenn es in Irland regnet, dann fühlt man sich wie Zucker. Jeder Ire besitzt mindestens eines, wenn nicht sogar alle vier der folgenden Dinge: einen Regenschirm, einen Poncho, eine Regenjacke, die Beine des Usain Bolt und festes Schuhwerk inklusive.

Dank meinem unglaublichen Glück hatte ich nur am ersten Dienstag Flusswetter. Ich weiß, man nennt es Regenwetter. In Anbetracht der Regenrinnen zu dem Zeitpunkt war der Neologismus jedoch angebracht. Die restlichen Tage waren ungewöhnlich sonnig, um die 25-30 Grad.

Glück hatte ich nicht nur beim Wetter, sondern auch im Verkehr. Drei Mal wurde ich nur fast überfahren. Was im Straßenverkehr riskanter ist, gleichen die Iren in anderen Bereichen wieder aus. Beispielsweise hat jeder Stecker ein drittes Bein, was als Sicherheitsschalter für Steckdosen gilt - neben dem eigentlichen An-/Ausschalter an jeder Steckdose. Wir mussten uns vor der Reise also auch einen Adapter besorgen. Einkaufen kann man in Irland übrigens auch sonntags. In einer Supermarktkette namens „Dunes“ kann man bei “Dellys”, einer Sandwichtheke, leckere kleine Mahlzeiten erhalten. Mit einem Preis von 4-5 € ist das für Dublins Verhältnisse günstig. Eine Kollegin, die Werbebeauftragte, hat mir das gezeigt, sie hat mir auch beigebracht, wie man Ampeln überquert, ohne sein Leben dabei aufs Spiel zu setzen.

Neben Howth haben wir noch einen Trip nach Glendalough zu den beiden Seen gemacht. Dort konnte man schwimmen, das wussten wir leider nicht und hatten von daher keine Schwimmsachen dabei. Also haben wir stattdessen Steine gestapelt und Fotos geschossen. Der Reisebus hin und zurück hat bei dem Unternehmen “Paddywagon” nur 30 € für Schüler gekostet. Das Problem war jedoch, dass die feste Aufenthaltszeit von zwei Stunden zu kurz ist, um zum oberen Ende des großen Sees zur angeblich besten Aussicht zu wandern.

Drei Wochen Praktikum, bedeuten zwei Wochenenden zum Besichtigen UND Ausruhen. Das sollte man gut planen. Ich wäre nämlich gerne auch zu “Giant’s Causeway” und den “Cliffs of Moher" gereist.

Auf Howth sollte man darauf achten, dass Leo’s Burdock nach über hundert Jahren Erfolg keine guten “Fisch and Chips” (Chips sind Pommes) mehr macht. Wir hatten es probiert, es war nicht gut. Laut anderen Berichten war es nicht mehr gut. “Fallen from grace” würde man sagen. Die Fish and Chips vom Bloody Stream waren hingegen bloody delicious.

In Dublin sind Restaurants, wie vieles andere auch, etwas teurer. Für mich war das egal. Dafür bin ich aber knauserig. Ich bin in den restlichen Bereichen des Lebens sparsam, um in Restaurants das Essen zu genießen. Und die Menschen die man dorthin einladen kann. Neben vielen Restaurants gibt es auf Howth und in Dublin sehr viel zu entdecken: versteckte Strände, Social Spaces, Bars, Museen, Burgen und natürlich viele besondere Menschen.

Erkenntnisse

Wenn ihr überlegt auch an einem Auslandspraktikum in Dublin teilzunehmen, beachtet noch folgende Sachen:

● Nehmt einen Bezugspunkt aus der Heimat mit, ein Buch, eine kleine Konsole, ein Zeichenheft oder Ähnliches. Es wird alles neu und vieles anders sein. Da ist es hilfreich, sich irgendwo festzuhalten.

● Denkt daran mit Familie und Freunden zu telefonieren. Zum einen ist es schön zu berichten und zum anderen ist es wichtig mit Menschen zu interagieren mit denen man eine enge Bindung hat.

● Denn in drei Wochen baut man normalerweise keine enge Bindung zu wildfremden Menschen auf. Unabhängig davon wie freundlich man zueinander ist.

● Ebenso unabhängig von der Freundlichkeit gibt es in jedem Haus andere Regeln und Denksätze. So wird es vorkommen, dass die Gastfamilie sehr viel strenger, lockerer und/oder anders als die eigene agiert. Ich persönlich fand die Gastfamilie super, vor allem die Katze, bin jedoch trotzdem bis zur letzten Woche noch in das eine oder andere Fettnäpfchen getreten.

● Kleine Unstimmigkeiten sind normal, Kommunikation ist der Schlüssel Knackpunkt.

● Regenkleidung!

● Der Verkehr ist stressig.

● Wenn man krank ist, kostet ein Beratungstermin beim Arzt mindestens 70 €. (Eine Quelle hat berichtet das die Techniker die Kosten EU-weit deckt.)

● Dublin generell ist teuer, vor der Reise zu sparen macht Sinn.

● In Dublin, so wie in fast allen Großstädten der Welt, ist die Kriminalitätsrate leicht erhöht.

● Im Falle eines Zimmernachbarn hat man wenig Zeit für sich. Es ist wichtig, Zeit für sich einzufordern, mal spazieren zu gehen oder Ähnliches. Mein Zimmernachbar Florian ist toll und wir haben viel zusammen unternommen. Unabhängig davon sind wir manchmal gezielt allein unterwegs gewesen. Selbst in einer Beziehung und auch in einer Familie, ist Alleinzeit wichtig.

● Das Irlandpraktikum war für mich wie einzigartigen Kuchen essen. Man kann (jedoch) nicht ewig Kuchen essen.

● Nehmt euch nach dem Praktikum einige Tage Urlaub, um euch von dem Reisestress zu erholen und vielleicht auch, um alles in Ruhe zu reflektieren.

In Dublin habe ich gelernt Aufgaben etwas besser zu priorisieren. Außerdem lernte ich, dass es überall auf der Welt schön sein kann. Des Weiteren trinke ich meinen Tee nun mit Milch.

Mein Fazit ist, dass Reisen Ire viel Spaß macht. Klar, es ist sehr stressig, aber das gehört dazu und gibt dem Ganzen eine abrundende, zum Wachsen anregende Note. Wie Milch in irischem Tee.

Vielen Dank fürs Lesen.

Benjamin

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