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Tobias, zwei Monate im Internat im Lycée Sainte Marie, Cholet

Ich habe sehr viel Neues gelernt, neue Freunde getroffen und ein kleines zweites Zuhause gefunden.

Ich heiße Tobias und habe zu Beginn des Schuljahres zwei Monate in Frankreich, in Cholet verbracht. Nachdem ich die Berge an vorsorglicher Verwaltung endlich besiegt hatte und nach den Sommerferien noch drei Tage in Deutschland zur Schule gegangen war, kam ich samstags morgens endlich bei meiner Gastfamilie an. Erstmal musste alles ausgepackt werden und dann konnte ich schließlich meine neue Familie besser kennen lernen. Dort gibt es Blandine und Gwénael, die Eltern, und meine Gastbrüder Louis (16), Clément (14) und Bastien (9). Mit mir waren wir nun also vier Jungs. Ich hatte mein eigenes Zimmer und teilte mir ein Bad mit Louis. Meine Gastbrüder spielen alle Fußball, was man auch an der Dekoration in ihren Zimmern deutlich erkennen konnte. Am Anfang war die Kommunikation noch recht aufwendig, nach den ersten drei Wochen begann ich jedoch, mich an das schnelle und familiäre Französisch zu gewöhnen und verstand ab dort fast alles. Sonntagabends musste ich leider schon wieder packen, aber meine Vorfreude auf die erste Schul- und Internatswoche überwog dennoch.

Als ich dann montags morgens an meiner neuen Schule, dem Lycée Sainte Marie, ankam, lernte ich als erstes fünf weitere ausländische Schüler kennen: Leo, Julia und Lara aus Deutschland, Rares aus Rumänien und Daniela aus Mexico. Wir lernten unsere Betreuerin Sophie kennen und erfuhren, dass jeder von uns in eine andere Klasse kommen würde, so dass alle anderen Schüler ausschließlich Franzosen waren. Danach wurden wir von Sophie in unsere neuen Klassen geführt, wo alle 30 französischen Schüler schon saßen und mich verwirrt anstarrten. Nach einer kurzen Vorstellung meinerseits begann ein großes Kennenlernspiel, und was auf den ersten Blick auf mich recht kindisch wirkte, stellte sich das ganze doch als recht sinnvoll raus, denn nicht nur ich war neu in der Klasse, sondern quasi alle. In Frankreich wird nämlich nach der neunten Klasse erneut auf eine andere Schule gewechselt. Dort fand ich nun erneut neue Freunde und stellte erstaunt fest, dass Namen wie „Agathe“ für Kinder in Frankreich ganz normal, ja sogar häufig sind. Nach vier ersten Unterrichtsstunden à 50 Minuten kam nun die erste Mittagspause von 100 Minuten. In der Zeit muss in der Kantine der Schule gegessen werden und danach darf man im Foyer mit seinen Freunden Zeit verbringen. Kantinen mit obligatorischen Essenszeiten gibt es dort fast immer und überall, vom Kindergarten bis hin zum „Lycée“, der Schule, die in Deutschland der Oberstufe entspricht. Das Essen war meiner Meinung nach sehr gut. Täglich gab es Dreigangmenüs, die sich frühestens nach 6 Wochen wiederholten und immer Mengen an Baguette. Auch bei meiner Gastfamilie gab es am Wochenende immer drei Gänge, das ist also in Frankreich normal. Im Foyer war man eigentlich immer, wenn man grade keinen Unterricht hatte. Dort gab es Kicker, Billardtische, Tischtennisplatten, Air-Hockeys, Sitzecken und einen Kaffeeautomaten. Nach der Pause begann der Nachmittagsunterricht, welcher entweder bis 15:00, 16:10 oder 17:00 Uhr dauerte. Die Fächer ähnelten ziemlich denen an unserer Schule, bis auf, dass man Deutschland eine recht freie Wahl für seinen Unterricht hat. Das beneiden dort so ziemlich alle, denen ich das erzählte.

Eine Besonderheit war, dass man manchmal betreute Arbeitsstunden hatte, sogenannte „Études“, bei denen ganz klassisch und konservativ mit der ganzen Klasse mucksmäuschenstill in einem großen Raum die Hausaufgaben gemacht werden oder als Alternative gelesen wird. Handys sind dort, sowie im Unterricht komplett tabu, in den Pausen jedoch nicht. Nach dem ersten Schultag folgte der erste Internatstag, welcher stets um 17:00 Uhr beginnt. Um Punkt 17:00 Uhr heißt es nämlich immer Zimmerschlüssel abholen, Verspätungen von über zehn Minuten werden meist mit Handyarrest bestraft. Nun lernte ich erst den Franzosen Tom, meinen einzigen Zimmernachbarn, sowie Deborah, die strenge Internatschefin, kennen. Um 18:00 Uhr folgte dann die erste Stunde „Études“ (beaufsichtigte Stillarbeit) des Abends, diese ging bis 18:50 Uhr, danach gab es direkt Abendessen. Bei allen Mahlzeiten war das Handy ebenfalls tabu. Das Essen war gegen 19:30 Uhr beendet, die zweite Arbeitsstunde folgte dann um 19:50 Uhr und ging bis 20:40 Uhr. Ab dort war dann endlich Freizeit angesagt, die man zumeist mit seinen Freunden im Aufenthaltsraum des Internats verbrachte. Dort lief laute Musik und man konnte Kicker, Tischtennis, Karten oder Billard spielen. Um 22:00 mussten für die Nacht die Handys abgegeben werden und um 22:15 war dann ganz strikte Bettruhe.

So, das war nicht nur mein erster Tag an einer französischen Schule, sondern eigentlich ein ganz normaler Tag dort, der sich von da an immer wiederholte. Natürlich klingt das jetzt alles recht hart, strukturiert und trist, es hat aber auch seine Vorteile. Mir haben zum Beispiel die Arbeitsstunden sehr gut gefallen, da es dort eine konzentrierte Atmosphäre (ohne Handy!!) zu bestimmten Zeiten gab, was die Produktivität bezüglich der Hausaufgaben deutlich steigerte, man hatte ja eh, außer zu lesen, nichts Besseres zu tun. Nachdem ich mich dann wie viele andere Internatsbewohner für die erste Nachmittags-Études-Stunde sportbedingt freistellen konnte, nahmen meine Schultage dann letztendlich einen sehr angenehmen Ablauf an. So durfte ich von da an dann direkt nach der Schule immer ins Gym gehen und fand somit auch einen schönen Ausgleich zum recht arbeitsreichen sonstigen Alltag. Meine Gastmutter und ich fanden am zweiten gemeinsamen Wochenende sogar einen Tennisclub, bei dem ich fortan immer mittwochnachmittags bei gleichaltrigen Jungs mit ähnlicher Spielstärke trainieren durfte.

Kommen wir nun also wieder zu den Wochenenden, den Zeiten mit meiner Gastfamilie. Freitags abends nahm ich den Bus nach Hause, gegen circa 18:00 Uhr kam ich zuhause an. Die Sams- und Sonntage verliefen meist recht locker und jeder hatte so seine Passionen, denen er nachging, wobei sich zu gemeinsamen Gesellschaftsspielzeiten, zum Essen oder im Wohnzimmer eigentlich immer alle wieder zusammenfanden. Meine Brüder hatten meist Fußballspiele, ich traf mich zum Tennis spielen und meine „Eltern“ gingen laufen oder Radfahren, waren also auch recht sportlich. Bei den Fußballspielen war ich oft dabei, in meinen 8 Wochen dort habe ich bestimmt 10 Spiele gesehen. An einem Wochenende waren wir in einem historischen Themenpark, dem „Puy du Fou“, der nicht weit entfernt von uns war. Dort sah man etliche kleine Spektakel, bei denen Schauspieler mit modernen Effekten und Szenerien geschichtsträchtige Ereignisse nachspielten. Wenn man einmal im Westen Frankreichs sein sollte, ist das auf jeden Fall einen Tagesausflug wert.

Diese kurze, aber doch sehr ereignisreiche Reise hat mich Vieles gelehrt, nicht nur sprachliches, sondern auch zwischenmenschliches. Ich finde man muss entweder neugierig, selbstbewusst oder mutig sein, um sich für einen Auslandsaufenthalt zu entscheiden. Wenn man eine dieser Voraussetzungen mitbringt, bin ich mir sicher, dass man ein solches Abenteuer meistern kann. Wichtig ist zudem auch eine gewisse Offenheit und Flexibilität, man muss sich schließlich in einem neuen Umfeld zurechtfinden und seine bekannten Gewohnheiten unterbrechen. Ein Auslandsaufenthalt ist auch gut, um sich selbst besser kennenzulernen und selbstbewusster und unabhängiger zu werden. Denn das bedeutet ja auch unsere Komfortzone zu verlassen, wo wir Eltern oder Freunde haben, die uns bei allem helfen. Im Ausland muss man in erster Linie selber Lösungen finden und sich ein neues Netzwerk von Personen aufbauen.

Ich kann einen Auslandsaufenthalt jedem absolut empfehlen. Solch eine Zeit muss ja nicht während der Schulzeit stattfinden, sondern kann auch nach der Schule oder in den Ferien verbracht werden. Reisen bringt einem viele der schönsten Erinnerungen. Im Nachhinein kann ich nur sagen, dass es für mich eine großartige Erfahrung war. Ich habe auf diesem Weg sehr viel Neues gelernt, neue Freunde getroffen und ein kleines zweites Zuhause gefunden. Mit meiner Gastfamilie, sowie mit so manchen anderen Freunden habe ich noch stetigen Kontakt und kann es kaum erwarten bald dort wieder hinzureisen, wenn auch leider nicht für 2 Monate. Ich danke dir ganz herzlich, dass du dir diesen kleinen Erfahrungsbericht durchgelesen hast und hoffe, ich konnte dich ebenfalls ermutigen oder anderweitig inspirieren.

Tobias

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