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Solveig, 3 Monate Einsatz im Bildungsprojekt

Karibu, Mzungu!

Es ist 6.00 Uhr, als ich noch im Halbdunkeln meine Schulsachen schnappe und aus meinem Raum raus in das Haupthaus gehe. Unterwegs kommen mir einige der Hunde entgegen, die ich versuche, möglichst schnell wieder loszuwerden. Drinnen trinke ich noch schnell eine halbe Tasse Tee und nehme mir eines der selbstgebackenen Brötchen für die Busfahrt mit. Dann höre ich auch schon den Bus starten und beeile mich, damit Simon, der Busfahrer, nicht ohne mich losfährt. Die ersten Kinder sammeln wir gleich an der Ecke ein. Wie immer kriegen die zwei ein Stück von meinem Brötchen ab – gefrühstückt haben sie nämlich nicht. Vor uns liegen jetzt eineinhalb Stunden Busfahrt quer durch Arusha, an den Kaffeeplantagen und an einem kleinen Flughafen vorbei. Immer wieder müssen wir auf einen der zehn Lehrer warten, die es nicht mehr pünktlich zum Bus geschafft haben.

Nach einer Stunde ist der Bus proppevoll und jeder Lehrer hat mindestens ein Kind auf dem Schoß. Auch ich teile meinen Platz jetzt mit einer der Lehrerinnen und habe Collin auf dem Schoß.

Kurz vor Schulbeginn um 7.45 Uhr erreichen wir dann die Schule und die Kinder stellen sich klassenweise zur Morning Assembly auf. Hier singen wir einige Lieder, es werden die Lehrer begrüßt und Sauberkeitskontrolle gemacht und dann heißt es stramm gestanden für die Nationalhymne. Danach marschieren die Kinder in ihre Klassen und die Lehrer gehen in den Staff Room - ein Mix aus Abstellkammer und Lehrerzimmer.

Morgens schon hatte Teacher Lino mich angesprochen, ob ich heute ihre Klasse unterrichten wolle, da sie noch die Arbeiten korrigieren müsste. Dementsprechend hieß es jetzt improvisieren. Als ich die Tür zum Klassenraum öffne dröhnen mir bereits dreißig Kinderstimmen entgegen: „Education for all of us, good morning, teacher Solveig!“

Ich bin froh, dass ich in der zweiten Klasse, in der ich heute unterrichten soll, schon letzte Woche viel geholfen habe, sodass ich in etwa weiß, was die Kinder gemacht haben. Bis zur Teatime um elf machen wir also Englisch und üben Bildbeschreibungen. Spätestens nachdem ich eine Bildbeschreibung an die Tafel geschrieben habe und die Kids dieses Bild nun malen sollen, ist die Begeisterung groß. Farbige Blätter und Buntstifte sind zumindest in der großen Schule (anders als im Waisenhaus) eine Rarität!

Schnell ist der Vormittag zu Ende und wir schließen die Stunde mit einem eher halbherzig dahin gemurmelten Gebet „God bless our tea, amen. Welcome all of you, amen.“

Nun gehen alle Kinder und auch wir Lehrer nach hinten zur Küche, wo sich die Kinder den Tee und ein kleines Brötchen abholen. Ich esse wenig später mit den Lehrern im Staffroom ein Brötchen und trinke den völlig übersüßten Tee.

Danach wollte ich gerade wieder in die zweite Klasse gehen und weiter unterrichten, als Teacher Gladdy, die Schulleiterin, mich fragt, ob ich ihr bei der Testkorrektur helfen kann. Also verbringe ich die Zeit bis zum Mittagessen mit Korrigieren und die zweite Klasse muss sich, genau wie die anderen Klassen in der Zeit nach den Exams, alleine beschäftigen. Zum Mittagessen gibt es einmal mehr Ugali, das klassische Essen dort – eine Mischung aus Maismehl und Wasser, mit der Konsistenz von Grießbrei, das nach gar nichts schmeckt. Dazu kriegen die Kinder, wie meistens, Bohnen und wir Lehrer bekommen Tomaten und selbst angebautes, undefinierbares Gemüse dazu.

Nach dem Mittagessen wollte ich mein Projekt mit der ersten Klasse weitermachen. Wir hatten einige Tage zuvor Masken aus Gips gestaltet und wollten diese heute anmalen und weitere Masken machen. Als ich nach den fertigen Masken gesucht habe, stellte sich allerdings schnell raus, dass die Masken unauffindbar verschollen waren. Ein bisschen frustriert musste ich diese Nachricht nun in der Klasse mitteilen, woraufhin für mich völlig unerwartet lauter Jubel ausbrach, da die Kinder dann noch mehr Masken machen durften. Damit hatte sich das Problem dann auch erledigt und die Kinder gingen mit vollem Elan an ihre Aufgaben (Masken planen, machen, anmalen), wobei ich damit beschäftigt war, diejenigen, die gerade keine Masken machten, auf ihren Plätzen zu halten. Am Ende des Tages hatten wir dann fast zehn Masken fertig, eine knappe Stunde überzogen und die Assembly nach der Schule verpasst, was aber in Afrika absolut kein Problem darstellt.

Nun mussten sich die Kinder, die mit dem Bus nach Hause wollten, und ich beeilen und im Bus angekommen merkte ich erst wirklich, wie anstrengend und ungewohnt das viele eigenständige Unterrichten war. Das war dann auch der erste Tag, an dem nicht nur wie gewohnt das Kind auf meinem Schoß eingeschlafen ist, sondern an dem auch ich auf meinem Platz eindöste.

Gegen Abend bin ich dann noch für einige Zeit zum Centre, dem nahe an meinem dortigen Zuhause gelegenen Waisenhaus gegangen. Dort angekommen merkte ich schnell, dass alle Hausaufgaben bereits erledigt waren, sodass wir die Zeit einfach zum Spielen nutzen konnten. Da ich von dem anstrengenden Tag in der Schule wirklich müde war, konnte ich mich für den Vorschlag der Kinder, das lange Seil rauszuholen und Seilspringen zu spielen nicht wirklich begeistern. Stattdessen konnte ich sie glücklicherweise zum Malen und Vorlesen überreden, sodass wir die Zeit bis zum Abendbrot malend und lesend draußen auf der Bank verbracht haben. Die größeren Kinder (vielleicht elf) haben die Zeit dazu genutzt, einmal mehr meine Haare zu flechten.

Bevor es völlig dunkel wurde, bin ich dann runter gegangen, zumal die Familie (meine Gasteltern und Leiter des Waisenhauses und der Schule) uns eigentlich schon vor der Dämmerung zu Hause wissen wollte. Dort habe ich zwei der anderen Volonteers getroffen, die den Vormittag im Centre verbracht haben. Zu dem Zeitpunkt sind gerade einige Volunteers dort gewesen, die aber immer nur für wenige Wochen da waren. Zuerst war das für mich wirklich ungewohnt, wobei ich bald gemerkt habe, wie angenehm es ist, abends mit vielen anderen im Wohnzimmer zu sitzen und sich auszutauschen. Auch bei Ausflügen oder Aktivitäten mit den Kindern war es oftmals angenehm, jemanden zu haben, der einen begleiten bzw. unterstützen konnte. Insofern habe ich mich schnell mit dem vollen Haus abgefunden und die vielen Volunteers zu schätzen gelernt.

Nach und nach kamen dann auch die restlichen Volunteers ins Wohnzimmer, um auf das Essen zu warten. Essen bei der Familie zu Hause war immer gut. Die Köchinnen (Dadas) sind super bemüht und es gab kaum etwas, was mir dort nicht schmeckte.

Nach dem Essen haben sich einige Volunteers dann noch einen Film angemacht, aber ich war so müde, dass ich nur noch duschen wollte und dann zu Bett gehen. Schon bald erwiesen sich dann aber unser aller Pläne als unrealistisch, da der Strom ausgefallen war und es diesmal auch nicht nur für, wie normalerweise üblich, höchstens zehn Minuten war, sondern es bis in die Nacht hinein dunkel blieb. Dementsprechend bin ich dann ohne zu duschen ins Bett gegangen und sofort eingeschlafen, um am nächsten Tag wieder um sechs aus dem Bett zu kommen.

Insgesamt kann ich für mich nur sagen, dass ich eine super Zeit in Afrika verbracht habe und ich mich nach ganz kurzer Zeit dort schon wie zu Hause fühlte. Die Herzlichkeit der Familie, der Kinder und der allermeisten anderen Menschen, die ich dort getroffen habe, macht es einem unglaublich einfach, sich in Tansania wohl und heimisch zu fühlen und die Zeit dort einfach zu genießen. Selbst in der Stadt wird einem von wildfremden Leuten noch „Karibu, Mzungu!“ (Willkommen, Weiße) hinterher gerufen und man spürt deutlich, dass sie das ernst meinen.

Zurück in Deutschland merke ich immer wieder, wie wichtig diese Erfahrung für mich war und wie viel schwerer es mir fällt, wieder in Deutschland anzukommen, als es mir gefallen ist, mich auf Tansania einzulassen.

Natürlich gab es in meiner Zeit in Afrika auch Probleme und Tiefpunkte. Aber dadurch, dass ich ständig von Menschen umgeben war und sowohl mit der Familie als auch mit den anderen Volunteers darüber reden konnte, fiel es mir nie schwer, diese zu überwinden und spätestens, wenn die Kinder auf mich zukamen, hatte ich gar keine andere Chance mehr, als meine Probleme hinten anzustellen und mich voll und ganz den Kindern zu widmen.  

Solveig

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