Bonjour la France!
Nordlichtstipendiatin Larissa, Schuljahr in Frankreich
September
Bonjour la France!
Diesen Satz habe ich tatsächlich bei meiner Ankunft "mit einem Lächeln im Herzen getragen", so wie es in dem Handbuch, das ich vor meiner Abreise von meiner Austauschorganisation KulturLife erhalten habe, geschrieben steht. Nur eines, dass steht in keinem Handbuch der Welt geschrieben: die ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse, die man in so einem Auslandsaufenthalt macht. "So viele Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland kann es ja gar nicht geben", meint man vielleicht zunächst, "Frankreich ist ja nur einen Katzensprung von Deutschland entfernt." Hier wurde ich jedoch eines Besseren belehrt!
Von Dortmund nach Cholet:
Ich bin nun seit genau einem Monat hier, in Cholet, Pays de la Loire - Frankreich, 923km von dem Ort entfernt, der bisher mein Zuhause war: Dortmund, NRW - Deutschland. Ich sitze mit meinem Computer draußen auf der Dachterrasse, von der ich die ganze Stadt überblicken kann - ein wunderbarer Blick auf die Stadt, die in den letzten vier Wochen ein zweites Zuhause für mich geworden ist. Cholet hat ca. 50 000 Einwohner und nun einen mehr: Mich! In den Ferien und an den Wochenenden lebe ich hier in einer total netten Gastfamilie mitten in der Innenstadt von Cholet. Natürlich ist das alles zunächst eine Umstellung: Von einer 600 000 Einwohner Stadt nach Cholet, vom Einzelkind zu drei neuen Geschwistern. Nun hatte ich das Glück, dass meine Anreise noch in die Sommerferien in Frankreich fiel. Es blieb mir also einige Zeit um mich einzugewöhnen, die ich mit meiner Gastfamilie an der Atlantikküste (etwa 1 1/2 Stunden von Cholet entfernt) in deren Ferienhaus verbracht habe. Wie sagt man so schön: die Chemie zwischen mir und meiner Gastfamilie stimmte sofort. Meine zwei neuen Brüder (9 und 15 Jahre alt) und meine neue Schwester (12 Jahre alt) habe ich schon richtig ins Herz geschlossen. Auch das Wetter hat sich über meine Ankunft gefreut und es gab nichts als Sonnenschein und blauen Himmel.
Und in der Woche? Da lebe ich im Internat meiner Schule "Lycée Sainte Marie" in einem Zimmer zusammen mit zwei anderen Schülerinnen, die für mich schon nach den ersten Wochen zu guten Freundinnen geworden sind. In meiner Klasse habe ich sehr schnell Kontakte knüpfen können - sprachliche Schwierigkeiten: nebensächlich. Abseits der Schularbeit wird viel zusammen unternommen und noch viel mehr gelacht!
Die Abenteuer des Alltags:
In einem fremden Land kann alles, was zu Hause so selbstverständlich ist, zum Problem oder zum Abenteuer werden! Ich habe herausgefunden, dass es sehr gut ist, das Neue einfach auf sich zukommen und auf sich einwirken zu lassen. Man sollte immer gelassen bleiben und das Neue nicht gleich ablehnen, nur weil es eben anders ist.
Wer denkt, Frankreich und Deutschland seien gar nicht so verschieden, der irrt!
Für mich wurde ein einfacher Besuch im Supermarkt "Super U" in Cholet schon zum Erlebnis. Der deutsche Durchschnittssupermarkt ist selbst gegen einen Supermarkt, den die Franzosen selbst klein nennen, wie es hier der Fall ist, nichts! Es gibt einfach alles zu kaufen und man muss sogar aufpassen, dass man sich im Supermarktlabyrinth mit all den so fremden, französischen Beschilderungen nicht verläuft. In einem Gang gibt es die verschiedensten Sorten Schokoladen, in einem anderen wird man von einer Auswahl an Müsli fast erschlagen. Mein persönliches Highlight ist die Joghurtabteilung: Es gibt einen ganzen Gang für Pudding, einen für Kompott und bei dem für den Naturjoghurt und den mit Früchten kann man das Ende der Reihe kaum erkennen. In der Fischabteilung muss man aufpassen, dass man sich nicht verkühlt, bei den Bergen an Eis, die dort aufgehäuft sind, und wieder einmal merkt man, wie nah man doch am Meer ist. In der Abteilung mit den Schulutensilien ist zur Zeit des französischen Schulbeginns, dem "rentrée", fast kein durchkommen. Selbst beim Schulmaterial ist alles anders als gewohnt: die Hefte haben minimal 96 Seiten und man schreibt, anstatt auf Linien, auf große Karos. Die größte Überraschung im Supermarkt war für mich allerdings die sogenannten Selbstbedienungskassen, die es bei uns in Deutschland erst vereinzelt gibt. Man nimmt ein Produkt, hält es in einen Scanner und legt es dann auf eine Waage. Am Ende bezahlt man wie an einem Automaten mit Bargeld oder Kreditkarte. Die Unterschiede von Land zu Land machen aus dem Alltag ein Erlebnis.
Die französische Sprache:
Es ist gerade in den ersten Wochen schon etwas deprimierend, wenn man nach nur einem französischem Wort die Frage zu hören bekommt, woher man denn käme. Es wird wohl an meinem deutschen Akzent liegen, den ich, so hoffe ich, bald ablegen kann. Allerdings sind gerade die kleinen Erfolge die ganz großen. So gab es da zum Beispiel den Mann vom "Meteo", dem Wetterbericht des französischen Fernsehsenders TF1, den ich kurz nach meiner Ankunft überhaupt nicht verstand, weil er meiner Ansicht nach enorm schnell sprach. Nach einer Woche aber hatte ich mich so an das Französische gewöhnt, dass ich überhaupt kein Problem mehr hatte, dem zu folgen, was er über Sonne, Wolken, Ost und West erzählte. Ein anderes Beispiel ist das Zählen: Lange Zeit habe ich in Gedanke immer "eins, zwei, drei, vier..." gezählt, da war es für mich schon ein schönes Erlebnis, als ich das erste Mal völlig unbewusst dachte: "un, deux, trois, quatre...". Und so macht mein Französisch hier immer ein paar Fortschritte mehr: neue Wörter und Ausdrücke, neue Aussprache und ein besseres Verständnis dessen, was pausenlos auf mich einwirkt: Französisch.
... und andere Spezialitäten:
Vor meiner Abreise habe ich mir fest vorgenommen, alles auszuprobieren, und ich muss sagen, dass ich dies bist jetzt auch immer so gehalten habe. Was hätte ich nicht alles verpasst, wenn ich gezögert und nicht "oui" gesagt hätte: Kanu fahren auf dem Atlantik mit meinen neuen Geschwistern, eine ausgiebige Shoppingtour mit Freunden aus dem Internat und wahrscheinlich noch vieles mehr. Auch was die französischen Spezialitäten angeht, habe ich dadurch so manch Neues entdeckt - so weiß ich jetzt, dass "huître", die ich bisher nur als glitschige Schlürfmuscheln aus Filmen kannte, eigentlich total gut schmecken. Was Schnecken betrifft, hat sich meine anfängliche Vermutung allerdings bestätigt: ich mag sie nicht besonders. Um das sagen zu können, muss man sie aber erst einmal probiert haben, und das habe ich ja jetzt.
Zwischen "petit-déjeuner" und "devoirs" - in Frankreich zur Schule:
Überall macht man hier neue Bekanntschaften. Man kommt hier her, kennt niemanden, und auf einmal erweitert sich der Freundes- und Bekanntenkreis um ein Vielfaches. Im Internat des Lycées wohne ich in einem Zimmer mit zwei anderen Mädchen, die sich immer die Zeit nehmen, extra für mich etwas langsamer zu sprechen und mir auch bei den komplizierten Aufgabenstellungen beiseite stehen. Im Gegenzug kann ich aber auch helfen, indem ich nicht nur in Deutsch und Englisch Hilfestellungen gebe, sondern auch Geschichten aus Deutschland erzähle, um das Bild Deutschlands in Frankreich ein Stück weit wahrheitsgetreuer zu gestalten. Ich habe auch schon bei Heimweh und anderem Kummer getröstet, schließlich kommen im Internat auch die französischen Schüler aus entfernten Orten. Morgens gehen wir, dass heißt ich und meine neu gewonnenen Freundinnen, gemeinsam zum Frühstück und auch nachmittags unternehmen wir viel zusammen. Es wird Billard oder Tischfußball gespielt und wir machen - mit Klavier, Gitarre und Gesang - Musik zusammen, was mir besonders gut gefällt, denn die Sprache der Musik kann wirklich jeder sprechen und verstehen. Seit ich hier in Frankreich bin, bin ich so viel unter Menschen wie noch nie zuvor - von morgens bis abends, Mitschüler, Freunde und Gastfamilie - aber das ist auch gerade gut so. Wir haben gemeinsam so viel Spaß und lachen fast pausenlos. Aber natürlich gibt es nicht nur Freizeit, im Gegenteil, die Schule nimmt sogar den größten Teil des Tages in Anspruch. Von 8 Uhr bis 17 Uhr dauert ein normaler Schultag - ich habe die verschiedensten Fächer wie "Maths", "SciencePhysiques", "HistoireGèo" und noch vieles mehr. Natürlich ist es am Anfang nicht so leicht gewesen, dem gesamten Unterrichtsgeschehen zu folgen, Notizen zu machen und sich auch zu beteiligen, aber man muss es einfach versuchen und die Hausaufgaben, die "devoirs", so gut es eben geht machen und dann wird es schnell sehr viel einfacher. Ich habe hier in meiner Klasse 35 neue Mitschüler, die sich unter sich auch noch nicht alle kannten, da die "Seconde", in der ich bin, die erste Klasse des Lycées ist. So gelang es mir, hier sehr schnell Anschluss zu finden. Als besonders schwierig empfand ich in den ersten Wochen aber gar nicht den Französischunterricht, sondern eher meinen Lateinkurs, da der Lehrer so unglaublich schnell spricht. Nun stehen nach wenigen kleineren Tests schon die ersten größeren Prüfungen an und ich bin einmal gespannt, wie das so werden wird.
Sehnsucht nach der Heimat? Vielleicht ein wenig. Diese ersten Wochen hier haben mir jedoch gezeigt, dass die Entscheidung für das Ausland, für Frankreich, genau die richtige war. Ich habe hier bisher nicht nur das Französische und eine andere Kultur gefunden, sondern auch neue Erfahrungen gewonnen und mich ein Stück weit neu entdeckt...
Ich bin jetzt schon gespannt, was der nächste Monat an neuen Überraschungen für mich bereit halten wird.
Eure Larissa
Oktober
Coucou aus Frankreich
In den letzten drei Wochen habe ich viel Neues erlebt, viel gelacht, aber auch viel gearbeitet! In der Schule standen die ersten Prüfungen auf dem Programm und an den Wochenenden war ich mit verschiedensten neuen Freundinnen in deren Dörfern auf Entdeckungstour. Gefunden habe ich dort vor allem Stille, Natur und Straßen, auf denen einem mehr Pferde als Autos entgegen kommen. Was das Französische betrifft, so gab es einiges Anspruchsvolles, wie mein erstes französisches Buch, meine erste Französischklausur und mein erster französischer Kinofilm. Jetzt sind erst einmal Herbstferien.
Nach nun zwei Monaten, die nach meinem Empfinden rasend schnell vorbei gegangen sind, habe ich mich so sehr eingewöhnt, dass Frankreich schon ein Teil von mir geworden ist. Ich habe hier Freunde gefunden, mich an die Gewohnheiten in meiner Gastfamilie und im Schulinternat gewöhnt und nehme das Französische um mich herum gar nicht mehr als unverständliches Etwas, sondern als völlig normal war. Natürlich ist das nicht die ganze Zeit so gewesen. In meiner ersten Französischklausur zum Beispiel bin ich an dem 2 Seiten- Schriftgröße 8- Text beinahe gescheitert. Nach 65 Minuten intensiver Textlektüre war ich dann schließlich doch an den Punkt gelangt, den Text zu verstehen und brachte in der verbleibenden Zeit doch noch eine Leistung zustande, mit der ich dann auch selbst zufrieden war.
Das Buch, welches wir für unseren Französischkurs lesen sollten, fing ich gefühlte zwanzig Mal von vorne an, bevor ich verstand, was ich las. Letztendlich hat es sich dann aber doch ausgezahlt, dass ich nicht aufgegeben habe. Der Anfang ist ohnehin immer der Schwerste. Ist man einmal über eine bestimmte Schwelle hinaus, so funktioniert es fast von selbst. Nach zwei Monaten Aufenthalt hat sich aber nicht nur mein Französisch verändert.
Dadurch, dass man in einem High School Jahr immer weitestgehend auf sich allein gestellt ist, findet man heraus, was man doch alles schaffen kann, ohne dass man es vorher von sich gedacht hätte. Ich möchte nicht sagen, dass ich jemals besonders schüchtern gewesen wäre, aber falls doch, so ist diese Unsicherheit hier durch Mut, aber auch durch Gelassenheit, vollkommen ersetzt worden.
Nicht nur ich habe durch meinen Aufenthalt in Frankreich die Möglichkeit, Erfahrung und Sprachkenntnis zu erlangen, auch für meine Mitmenschen hier kann der Austausch von Gedanken und Wissen zum wahren Gewinn werden. So versuche ich, wo immer es geht, durch Nachhilfe in Englisch und Deutsch anderen Schülern Hilfestellungen zu geben. Dies klappt bisher wunderbar, weil ich meinen Mitschülern die Sprache aus nächster Nähe vermitteln kann, Beispiele aus dem Alltag kenne und nicht zuletzt, Larissa 15weil ich selbst weiß, wie es ist, eine fremde Sprache zu erlernen und welche Schwierigkeiten das mit sich bringen kann. Zudem ist es bestimmt lebendiger durch Gespräche mit einem Muttersprachler zu lernen, als nur mittels eines veralteten Schulbuches.
Klischee - ein Bild von Frankreich in Deutschland und ein Bild von Deutschland in Frankreich. Vorurteile entstehen auf verschiedene Art und Weise, manchmal stellen sie sich als wahr heraus, des Öfteren als falsch. So war es für mich bisher immer sehr interessant meine französischen Freunde zu fragen, was sie von Deutschland denken oder wissen. Einerseits findet man dann Klischees wie Deutschland = Autos, Wurst, Bier und Lederhosen, andererseits stößt man auch auf Themen wie den Zweiten Weltkrieg. Die meisten jungen Franzosen und Französinnen fragen neugierig nach, was man in der deutschen Schule zu diesem Thema mitgeteilt bekommt und ob überhaupt darüber gesprochen wird. Dann habe ich mir immer die Zeit genommen zu erklären, dass über die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg keineswegs geschwiegen wird. Ich berichte, dass der Zweite Weltkrieg ein ernstes und trauriges Thema ist (was dann die meisten Franzosen nicht so recht glauben wollen, da es im französischen Fernsehen wohl zahlreiche lustige Filme zum Zweiten Weltkrieg gibt) und auch so in den deutschen Schulen behandelt wird. Für mich ist es wichtig, mit meinen Mitschülern auch über nicht so schöne Themen zu sprechen, ansonsten entstehen schnell Missverständnisse oder es bilden sich falsche Meinungen.
Das allgemeine Bild, welches die Deutschen von Franzosen haben, ist nach meinem Erfassen folgendes: Franzosen sind klein und tragen eine Baskenmütze, essen Baguette und Käse, trinken Wein und Champagner und sind zudem bekannt für ihr Parfüm. Hier musste ich dann tatsächlich feststellen, dass die Sache mit dem Baguette und dem Käse gar nicht so unwahr zu sein scheint. Tatsächlich essen die Franzosen enorm viel Baguette, welches ich immer dann zu spüren bekomme, wenn der große Brotkorb, der sich auf jedem Tisch in der Kantine der Schule befindet, während des Essens bis zu viermal nachgefüllt wird. Die anderen Vorurteile scheinen aber genau das zu sein, was das Wort schon aussagt - Larissa 9vorschnelle Urteile. Es mag Franzosen geben, die viel Wein und Champagner trinken, es gibt aber auch die, die das nicht tun, genauso wie nicht jeder Deutsche gerne Wurstbrot zum Frühstück isst.
Eins habe ich allerdings dazugelernt: Rente mit 62 Jahren - das lassen sich die Franzosen nicht gefallen. Wenn ich erzähle, so wie ich es des Öfteren tue, dass die Rente in Deutschland mit 67 Jahren beginnt, bekomme ich immer direkt zu hören: "Und das lassen sich die Deutschen gefallen?" Seit etwa drei Wochen befindet sich Frankreich im Ausnahmezustand - im "grève" (Streik). Es fallen Unterrichtsstunden aus, weil Lehrer streiken, die Supermärkte schließen von Zeit zu Zeit und es gibt weit und breit kein Benzin mehr. Ich bleibe angesichts dessen jedoch gelassen, immerhin hat es auch etwas Gutes: Wenn es kein Benzin mehr gibt, fahren weniger Autos und Busse und die Luftverschmutzung wird auch weniger... Also ich erledige hier alles, soweit es geht, zu Fuß. Das ist ohnehin viel besser für die Gesundheit :-)
Bisher hatte ich hier eine wunderbare, lustige Zeit, die mir für immer im Gedächtnis bleiben wird. In SVT (science de la vie et de la terre) haben wir mit der ganzen Klasse einen Ausflug in die Natur gemacht. Mit meinen Internatskameradinnen habe ich am letzten Tag vor den Ferien einen wunderbaren Abend beim Eislaufen gehabt und morgen gehe ich mit einer ganzen Gruppe neuer Freunde in die 4D-Erlebniswelt "Futuroscope"...
...das Abenteuer FRANCE ist noch lange nicht zu Ende und ich bin selbst schon gespannt, was es wohl nächsten Monat so alles zu berichten gibt, denn Weihnachten rückt immer näher.
Eure Larissa
November
Die Einführung des Adventskranzes und andere Weihnachtsvorbereitungen... nur noch einen Monat und dann ist Noël :-)
In diesem Monat fand ich es besonders schön zu sehen, wie sich Cholet im Weihnachtswandel verändert hat. Die ersten Spielzeugkataloge sich zu uns ins Haus geflattert und meine jüngeren Gastgeschwister haben angefangen, ihre Wunschzettel zu schreiben. In der Schulkantine gibt es jetzt immer öfter Mandarinen zum Nachtisch und man erhält einen ersten Eindruck des Duftes der Adventszeit. Jetzt kann auch ich es gar nicht mehr abwarten, bis endlich der «marché de noël» hier öffnet. Die Stadt ist schon so festlich geschmückt mit Girlanden, kleinen Weihnachtsbäumen und Weihnachtsmännern, mit großen roten Glaskugeln und Laternen und allem was dazu gehört! Nein, vielleicht doch nicht mit allem…
...natürlich gibt es auch zum Thema «Weihnachtsfest» hier so einige Unterschiede zu bemerken. Der Weihnachtsmarkt öffnet hier später als bei mir zu Hause in Dortmund und auch die Schokonikoläuse finden sich hier erst viel später in die Regalreihen der Supermärkte ein, als für mich üblich. Spätestens seit letzter Woche ist hier aber auch der Festtagsstartschuss gefallen. In den Fenstern sieht man mit Liebe dekorierte Girlanden, Schneeflocken, Lichterketten und Weihnachtsmänner, und mein Adventskalender wartet auch schon sehnsüchtig auf den 1. Dezember. Der beliebteste Kalender hier, so erklärte mir ein Verkäufer, sei der Kinder-Schokoladen-Adventskalender. Das brachte mich dann doch zum Schmunzeln – im Endeffekt sind doch alle Kinder der Welt gleich: Sie lieben Schokolade und noch dazu die Deutsche :-) Hier weiß jedes Kind, das Kinder «enfants» heißt.
Auch im Internat kommt jetzt Weihnachtsstimmung auf und jeder ist fröhlich. Wir dekorieren gemeinsam die Zimmer und sitzen zusammen im Foyer, wo wir am Klavier Weihnachtslieder spielen – Deutsche und Französische, versteht sich. Und dann gibt es ja auch noch die Lieder, die ich vorher nur in deutscher Sprache kannte, jetzt aber in Französisch viel schöner finde, wie zum Beispiel:
«Mon beau sapin»
(O Tannenbaum…)
Mon beau sapin, roi des forêts
Que j'aime ta verdure !
Quand par l'hiver, bois et guérets
Sont dépouillés de leurs attraits
Mon beau sapin, roi des forêts
Tu gardes ta parure.
Toi que Noël planta chez nous
Au saint anniversaire,
Mon beau sapin, comme il est doux
De te voir briller par nous
Toi que Noël planta chez nous
Scintillant de lumière.
Mon beau sapin tes verts sommets
Et leur fidèle ombrage
De la foi qui ne ment jamais
De la constance et de la paix.
Mon beau sapin tes verts sommets
M'offrent la douce image.
Für eine Weihnachtsfeier haben wir im Internat jetzt Gruppen gebildet, um am «soirée noël» dann einen Filmsketch vorzuführen. Das wird bestimmt richtig lustig werden – sowohl die Vorbereitung, als auch die Aufführung. In Französisch? Natürlich! Da freue ich mich schon wirklich drauf! Denn das Französische ist für mich kein Hindernis mehr, sondern eine richtige Errungenschaft. Deshalb habe ich mich auch für das Examen «Diplôme approfondi de la langue française – C1» Anfang Dezember eingeschrieben. Außerdem bin ich jetzt in einem «club d'écriture» wo wir kürzere Geschichten zu verschiedenen Themen und Bedingungen verfassen.
Nun zurück zu den Weihnachtsvorbereitungen und zu den unterschiedlichen Weisen Weihnachten und die Adventszeit denn tatsächlich vorzubereiten. Wie bereits erwähnt, die Einen schreiben Wunschzettel, die Anderen, zu denen ich gehöre, Geschenkelisten – diese fällt dieses Jahr etwas größer aus, da ich ja hier eine Familie und auch richtig gute Freunde dazugewonnen habe. Zudem muss eine Geschenkidee, wenn sich denn jemand darüber freuen soll, ja nicht nur von Herzen gemeint, sondern auch mit Liebe umgesetzt und hübsch eingepackt sein. Zudem bin ich schon gespannt, wie es mit dem «beau sapin» (Tannenbaum) tatsächlich vor sich gehen wird. Aus Erzählungen lässt sich schon erahnen, dass die Art ihn zu schmücken womöglich sehr anders sein wird als ich es denn gewöhnt bin – aber genau deshalb bin ich ja hier, um eine andere Kultur und damit auch eine andere Tradition kennen zu lernen. Und ich gebe zu: Da bin ich schon ganz neugierig!
Ach und dann habe ich ja noch gar nicht berichtet, wie ich erst vorgestern zur Überraschung meiner Gastfamilie hier den Adventskranz eingeführt habe :-) Nur zufällig im Gespräch hatte ich entdeckt, dass es den Brauch des Anzündens einer Kerze jeden Sonntag in der Adventszeit zumindest in meiner Gastfamilie gar nicht gibt. Um ihnen auch ein Andenken von mir in Form einer neuen Tradition zu hinterlassen und natürlich auch, um ihnen eine kleine Freude zu bereiten, ging ich also am schulfreien Mittwoch Nachmittag in ein Bastelgeschäft. Dort besorgte ich allerlei Dinge – einen Strohkranz, kleine Weihnachtskugeln, Nikoläuse und Weihnachtsplätzchen und natürlich 4 rote Kerzen. Im Internat machte ich mich dann daran einen Kranz zu dekorieren, so wie ich es sonst immer von zu Hause her gewöhnt war. Am Freitag Abend, stand der Kranz dann auf dem Esstisch und jetzt freuen wir uns alle schon sehr darauf, am Sonntag die erste Kerze anzuzünden.
Noël – bis dahin und wohl auch danach, gibt es hier für mich noch viel zu entdecken! Es ist fast schon ein bisschen schade, dass ich an der Hälfte meines Aufenthaltes hier angelangt bin. Auf jeden Fall sehe ich zu, dass ich noch so viel wie möglich profitiere: von meinen neuen Freunden und Geschwister, vom Französischen, von Frankreich und Frankreich auch von mir :-)
Bis zum nächsten Monat, in dem ich sicherlich wieder Einiges zu berichten habe!
A+
Eure Larissa
Dezember
Joyeux Noël et Bonne Année
Coucou à tous,
noch sind wir im alten Jahr – dies wird sich aber heute Nacht um 00.00 Uhr ändern. Das neue Jahr wartet und ich bin schon gespannt, was es alles bringen wird. Es ist das erste Mal für mich, dass ich nicht nur Weihnachten sondern auch Silvester ohne meine Familie und in Frankreich feiern werde – ganz ohne Feuerwerk, wie ich mir sagen gelassen habe. Das ist hier einfach nicht Tradition! Was denn so üblich ist, dass werde ich wohl herausfinden. Schon der Monat Dezember hat für mich viel Neues gebracht und einige Überraschungen beschert :-)
Ich denke, dass es am besten ist chronologisch vorzugehen:
Schon am 28.November haben wir die erste Kerze des Adventskranzes, den ich ja als neue Gewohnheit eingeführt hatte, angezündet.
Den Film «Harry Potter 7» habe ich auch noch im November mit einigen Freundinnen im Kino angeschaut. In Frankreich tragen die Hauptfiguren und Ort teilweise ganz andere Namen, was selbst den einfachen Kinobesuch sehr interessant machte. So heißt Hermine zum Beispiel Hermione und Hogwarts, die Zauberschule, Poudlard.
Anfang Dezember begann die Zeit der Schokolade und Kekse im Internat. Jeden Tag öffneten wir unsere Türchen der Adventskalender und teilten die «chocolats».
Am 6.Dezember hielt ich dann in meinem Deutschunterricht ein kleines Referat über den Nikolaustag in Deutschland, den man hier in Frankreich nämlich gar nicht kennt. Einmal am Ende angelangt wurde ich dann mit Fragen überhäuft – ein voller Erfolg ;-)
Die letzte Schulwoche (13.12. – 17.12.) wurde von viel vorweihnachtlicher Hektik im Internat begleitet. Schließlich hatten wir für unseren internen Weihnachtsabend so einiges vorzubereiten, unter anderem einen Sketch zum Thema «cinéma».
Der «soirée noël» am 16.Dezember war dann ein Fest, welches mir so noch lange in Erinnerung bleiben wird, soviel ist sicher! Die ältesten Schüler, die «Terminales», haben bei der Vorbereitung des Festes ganze Arbeit geleistet. Auf das Weihnachtsessen im geschmückten Saal, welches immer wieder von kleineren Spielen und tosendem Applaus unterbrochen wurde, folgte das Sketchprogramm in der großen Aula. Die meisten Aufführung wie auch die, die ich mit drei französischen Internatskameradinnen vorbereitet hatte, waren witzig und wir kamen aus dem Lachen und Staunen gar nicht mehr heraus. Die meist sehr komischen Kostüme erhöhten den Lachfaktor. Ein super Erlebnis!
Da war es ja fast schon schade, das am nächsten Tag, den 17.Dezember, der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien war.
Am 19.Dezember dann, passend zum Ferienbeginn gab es, was für diese Region Frankreichs eher ungewöhnlich ist, die ersten Schneeflocken. Leider blieb diese einmalige Pracht nicht sehr lange erhalten.
Am 24.Dezember gab es dann ein richtiges Festessen in der Familie mit einem Aperitif, 3 Entrées, einem Hauptgang und 2 Desserts...
… Geschenke überreicht man allerdings erst am 25.Dezember, am frühen Morgen – denn erst dann ist wirklich «Noël» :-)
Für mich war da eine ganz besondere Überraschungen dabei: Eine kleine Reise nach Paris! Wir sind dann direkt 2 Tage später zur Besichtigung der Hauptstadt Frankreichs, «la plus belle ville du monde», aufgebrochen.
In Paris habe ich zusammen mit meiner Gastfamilie drei wundervolle Tage verbracht, in denen ich unglaublich viel gesehen habe wie zum Beispiel die Kathedrale Notre Dame, Sacre Coeur in Montmartre, das Schloss in Versaille, die Champs Elysée, die Pariser Métro und den Publikumsliebling – der Eiffelturm.
Dabei habe ich festgestellt dass man in Paris die Augen aufhalten muss, um auch die kleinen Schönheiten wie die Balkonverzierungen oder ausgefallene Plakate zu entdecken. Was das Französische angeht, so hat man in Paris mehr ausländische Sprachen gehört als alles andere, darunter vor allem Englisch, Holländisch, Chinesisch, Japanisch und auch Deutsch. Unter den ganzen ausländischen Besuchern habe ich mich dann fast schon wie eine richtige Französin gefühlt, schließlich bereitet mir die französische Sprache schon lange keine Probleme mehr. Es war genau richtig diesen Ausflug zu diesem Zeitpunkt zu machen – so habe ich Paris aus dem Blickpunkt eines Franzosen und nicht aus dem eines Ausländers erleben können.
Dann sag ich mal: Bis zum nächsten Jahr!
Eure Larissa aus Frankreich
Januar
Zwischen Galette de Rois und französischer Lektüre – das neue Jahr beginnt vielversprechend !!
Bonne Année à tous,
Ich fange mit meinem Bericht am besten dort an, wo ich mit dem letzten aufgehört habe. Nur das wir und jetzt im Januar befinden, im neuen Jahr. Dieses hatten wir natürlich in der Nacht vom 31.Dezember auf den 1.Januar feierlich begrüßt. Das ging so ganz ohne Feuerwerk und Luftverpestung – amüsiert haben wir uns trotzdem wunderbar. So komm ich also am Neujahrstag, der hier Jour de l'An genannt wird, zu der Freude die sogenannte Galette de Rois (Kuchen) kennenzulernen:
Ich beiße zum Dessert am Mittag genüßlich in mein Stückchen Kuchen (vorher hat mir natürlich keiner etwas von der Tradition Königsgalette erzählt – natürlich dachten alle, dies sei mir wohl bekannt...) und verschlucke mich fast an einem Porzellanteilchen – in meinem Kuchen!!! Das Porzellanteil hat dann zu allem Überfluss auch noch die Form eines kleinen Schweinchens – das kam mir dann doch eher komisch vor! Wer kommt den bitteschön auf die Idee kleine Porzellanschweinchen in Kuchen zu verstecken: Das ist ja lebensgefährlich!
Wenn ich jetzt an diese Zeit meiner Unwissenheit zurückdenke, in der mir die Wörter «fève» und «frangipane» noch unbekannt waren, da muss ich ja fast selber lachen :-). Ich weiß ja nicht ob dies für die Allgemeinheit der Deutschen gilt, aber ich kannte diesen Brauch noch nicht, was wieder einmal beweißt, dass das Leben aus Überraschungen besteht und das ebenfalls nach 5 Monaten in Frankreich noch lange nicht alles entdeckt ist.Aber zu meiner kleinen Anekdote zurück: Auf meinen wohl sehr erstaunten Gesichtsausdruck auf das kleine Schweinchen aus Porzellan hin, erklärte man mir dann, dass es anlässlich der Heiligen drei Könige in dieser Region Frankreichs den ganzen Januar über üblich ist, einen traditionellen Kuchen namens «frangipane» zu essen. Im Inneren befindet sich eine kleine Figur (fève) versteckt und derjenige, der diese erhält wird mittels einer Pappkrone zum König oder, wie in meinem Fall, zur Königin gekürt. Welch ein Zufall aber auch, dass es gerade am ersten Januar mich treffen musste. Ich ließ es also über mich ergehen, entschied, dass mein kleiner Gastbruder mein «König» sein sollte und, schließlich bin ich ja keine Spielverderberin, setzte das Pappkrönchen auf ! Glück muss man haben und das auch noch gleich zum Jahresbeginn. Um ehrlich zu sagen, finde ich diese Tradition aber ganz süß und vor allen Dingen witzig. Dem Galette-Fluch de Rois in Frankreich kann man im Januar wirklich nicht entkommen: Sogar am ersten Schultag, dem 3.01. gab es die Galette de Rois in der Schulkantine – was haben wir nicht alle gelacht (wohlgemerkt war dieses Mal nicht ich die Königin). Ach ja, das beste habe ich dann ja auch noch vergessen: Derjenige der die kleine Figur in seinem Kuchenteil erhält, bezahlt die nächste Runde Kuchen und so hört das dann auch niemals auf...:-) Zu meinem Geburtstag war es dann keine große Überraschung mehr für mich, dass meine Geburtstagstorte eine Galette de Rois war – liebevoll von meinen Gastgeschwistern mit einem Joyeux Anniversaire Schild und Happy Birthday Kerzen dekoriert. In der Schule haben meine Internatskameradinnen sich etwas ganz besonders Liebes einfallen lassen: Ein Geburtstagsständchen auf Deutsch: «Zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag viel Glück,...» Außerdem habe ich an diesem Tag natürlich mehrmals «Bon Anniversaire» und auch das Happy Birthday Lied auf Französisch gehört:
Joyeux Anniversaire! Joyeux Anniversaire!
Joyeux Anniversaire, Larissa! Joyeux Anniversaire!
Ansonsten kam es mir vor als sei der Januar geradezu vorbeigeflogen, so schnell vergeht die Zeit. Nach den Ferien tat es zudem richtig gut die Mädchen aus unserem Internatsflur wiederzutreffen. Und doch rückt das Datum meiner Abreise jetzt bedrohend näher. Dabei bin ich doch jetzt schon fast eine «ganz echte Französin», wie es meine zwei Zimmernachbarinnen zu sagen pflegen. Was das Lesen betrifft, so habe ich mich auch schon völlig auf das Französische umgestellt. Die Sprache ist reich an Ausdrücken und Präzision wie vielleicht keine andere. Ich bin jetzt so an sie gewöhnt, dass mir die Umstellung auf Deutsch oder Englisch gar nicht so leicht fällt. Überhaupt lese ich hier viel mehr als ich es in Deutschland je getan habe: Es gibt in so kurzer Zeit so viele Autoren und Bücher zu entdecken: Molière, Labiche, Corneille... aber auch Bücher anderer Schriftsteller. Obwohl ich es mir normalerweise angewöhnt habe englischsprachige Autoren in der Oiginalversion zu lesen, habe ich dann doch einen Versuch gewagt, den ich keineswegs bereue: Ich lese «Les Âmes vagabondes» von Stephanie Meyer, die auch die berühmte Twilight Saga erschaffen hat, auf Französisch. Und dann war da ja auch noch das Buch Das Lebend des Galilei von Bertold Brecht, welches ich auf Deutsch bestellen wollte, weil meine Schulkameraden in Deutschland gerade begannen dieses im Deutschunterricht zu lesen. Da dieser außergewöhnliche Wunsch, den eigentlich sehr freundlichen Buchhändler jedoch zu überfordern schien, habe ich mich dann kurzerhand dazu entschlossen, es einfach auf französisch zu lesen (um erst einmal einen ersten Eindruck vom Inhalt zu erhalten). Mit einer dritten Sprache, so stelle ich also fest, hat man viel mehr Freiheiten und Möglichkeiten.
Da ist es ja fast schon schade, dass nächsten Monat sich wieder alles ändern wird! Aber vorher hört ihr natürlich noch einmal von mir!!
Ach und im nächsten Jahr gibt es natürlich bei mir in Dortmund den ga-a-a-a-nzen Januar über die Galette de Rois, die mir hier so ans Herz gewachsen ist.
Bisous
Eure Larissa
Februar
Salut!
Der Februar war für mich der Monat des Abschieds. Nach 6 Monaten, die für mich so unglaublich schnell vergangen, ja geradezu verflogen sind, rückte nun die Heimkehr immer näher. Aus dieser Situation ergaben sich dann viele schöne aber auch traurige Momente. Abschiedsfeiern, Klassenfeste und Erinnerungsbücher genauso wie das letzte «Au revoir» sagen und das letzte Winken, eine Träne im Auge.
Ich glaube, dass ich jetzt das erste Mal in meinem Leben den Ausdruck: Mit einem weinenden und einem lachenden Auge so wirklich verstanden habe. Man ist zwischen zwei Welten hin und hergerissen. Und in genau solch einer Situation habe ich mich dann wiedergefunden. Natürlich war ich glücklich, bald meine Freunde aus Dortmund wieder in meine Arme schließen zu können, andererseits haben es mir meine neuen und so liebgewonnenen Freunde in Cholet auch unendlich schwer gemacht sie zu verlassen. Schließlich sind sie ja ein Teil meines Lebens geworden, welches, so wusste ich, sich mit meiner Heimkehr wieder völlig ändern würde.
Abschied nehmen
Aber erst einmal beginne ich zu erzählen, was sich die Mädchen im Internat alles noch für mich ausgedacht haben. In der Woche war ich ja quasi ununterbrochen mit ihnen zusammen und sie behandelten mich schon lange nicht mehr als «étranger» (Ausländerin), sondern als eine von ihnen: une vraie française, wie Julie zu sagen pflegte. Da bekam ich schon einige erschrockene Gesichter zu sehen, als ihnen Anfang Februar dann klar wurde, dass es nur noch zwei Wochen sind, bis zu meiner Abfahrt. Am Mittwoch bevor es dann so weit war, gingen wir dann alle in die Stadt, in eine kleine Creperie und haben anschließend auch noch einen wundervollen Nachmittag zusammen verbracht, an dem viel gelacht wurde und bei dem einige verrückte Fotos zustande kamen ;-) ! Eine wirklich tolle Idee war es, ein «livre d'or» anzufertigen. Das ist ein Buch, in dem jeder der wollte mir noch etwas schreiben konnte um es mir auf den Weg mitzugeben. Ich hätte gar nicht gedacht, dass dieser Vorschlag so gut ankäme, wie es dann tatsächlich gekommen ist. So haben sich fast 100 Mitschüler, Freunde und Internatskameraden eingetragen. Für mich ist das natürlich jetzt eine sehr schöne Erinnerung, die ich zusammen mit vielen tollen Bildern, sehr gerne anschaue und lese. An meinem letzten Abend im Internat haben dann alle Mädchen unseres Flurs in meinem Dreibettzimmer, das ich sonst mit Julie und Roxane geteilt habe, übernachtet.Dann hatte meine Klasse eine Überraschungsfeier für mich organisiert. Es gab selbstgebackenen Kuchen und Kekse. Es wurden viele Fotos gemacht, wie zum Beispiel ein neues Klassenfoto meiner Klasse: der Seconde 10 !! Besonders schwer war es dann für mich, von Louise, die in Cholet meine beste Freundin geworden ist, Abschied zu nehmen. Aber in den heutigen Zeiten gibt es ja durch das Internet, Handy und Telefon viele verschiedene Möglichkeiten um den Kontakt zu halten, und auch der gute alte Postweg hat so seine Vorteile. Die ersten Dortmundpostkarten sind mittlerweile, da ich ja jetzt seit etwa zwei Wochen wieder zu Hause bin, nach Frankreich unterwegs. Und dann ist da ja noch der Abschied von meiner Gastfamilie. Ich, die ich als Einzelkind nach Frankreich gefahren bin, habe nun drei Geschwister fest in mein Herz geschlossen. Mein kleinster Gastbruder hat mir zum Abschied noch etwas ganz süßes gemalt und alle anderen haben mir etwas geschrieben. Ebenso habe ich meiner Gastfamilie einen kleinen Brief hinterlassen und da Frankreich ja nicht aus der Welt ist, steht für mich schon fest: Bald geht es zurück nach Cholet, wenn auch nur für kurze Zeit und als Besucherin. Da der Abschied besonders den kleineren Geschwistern wie auch mir schwer zu fallen schien, haben wir uns entschlossen meine Gastfamilie zur Zeit des «Dortmunder Weihnachtsmarktes» einzuladen.
Meine Ankunft:
Nach einer 9-stündigen Autofahrt mit meinen Eltern, die ich kurze Zeit vorher wieder freudig in meine Arme geschlossen hatte, wurde ich bei mir zu Hause, trotz der späten Abendstunde, ganz lieb empfangen. An der Garagenwand hing schon ein «Herzlich Willkommen» Schild und unser gesamtes Haus, was mir erst sogar ein wenig fremd und verändert vorkam, war mit Frankreichfahnen, Eiffeltürmen und herzförmigen Luftballons geschmückt. So eine Begrüßung hatte ich mir gar nicht erwartet oder viel eher hatte ich erst gar nicht recht darüber nachgedacht, wie es denn sein wird, wieder zu Hause zu leben, mit meinen Gedanken war ich schließlich noch halb in Frankreich. Derartig von Familie und Freunden in Dortmund erwartet zu werden hat mir aber schon viel geholfen, was die Eingewöhnung betrifft.etzt, da ich nun seit einer Weile zurück in Deutschland bin, habe ich mich schon wieder meinem alten Lebensrhythmus angepasst, natürlich ohne die Erfahrungen und Erlebnisse aus Frankreich zu vergessen. Schließlich haben diese mein Leben bereichert.…
...was ich von meinem Auslandsaufenthalt mitnehme:
So einfach lässt sich dass gar nicht in Worte fassen. Zuerst einmal habe ich so unglaublich viel gesehen, entdeckt und gelernt. Diese Erfahrungen werde ich für immer in Erinnerung behalten. Zurück in Deutschland, denke oder zähle ich noch so manches Mal auf Französisch, eine Sprache, die für mich erst in Frankreich wirklich lebendig und greifbar geworden ist. Ein nicht unbeträchtlicher Berg an französischen Büchern wartet auch noch darauf von mir gelesen zu werden. Auch die französische Literatur habe ich nämlich in Cholet kennen und lieben gelernt. Ich gehe aus diesen 6 Monaten viel reicher heraus, als ich in jene hineingegangen bin: Ich habe nicht nur echte Freunde sondern auch eine Familie dazugewonnen. Mein Denken ist, so könnte man es umschreiben «globaler» geworden und ich habe auch an Selbstsicherheit, die mir zwar nie wirklich gefehlt hat, gewonnen, wie das halt so ist wenn man 6 Monate auf sich allein gestellt ist in einem vorerst noch fremden Land mit einer fremden Sprache. Eine andere Kultur zu entdecken, die sich anfänglich doch erschreckend von der eigenen Lebensweise unterschied war natürlich immer wieder von Neuem eine aufregende Herausforderung.
Keine Sekunde bereue ich den Schritt, dieses Abenteuer angetreten zu sein!
So ein Auslandsjahr kann Brücken schlagen, wie es hier für mich geschehen ist. Eine Brücke zwischen Frankreich und Deutschland, Cholet und Dortmund und jetzt verstehe ich den Begriff inter-national wirklich, da ich so einen Austausch hautnah miterleben durfte. Von meiner Seite aus kann ich nur jeden, der mit seiner Entscheidung für einen längeren Zeitraum ins Ausland zu gehen um Kultur und Sprache zu entdecken noch zögert, ermuntern und ihm Eines mit auf den Weg geben:
Wenn man einmal die Entscheidung getroffen hat und mit offenem Herzen in das Abenteuer hineinschreitet, so geht man um ein Vielfaches reicher heraus.
An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei all denen bedanken, die mich während der letzten sechs Monate unterstützt haben, nicht zuletzt gilt mein Dank an das Team von Nordlicht-Stipendium, die meine Auslandserfahrung überhaupt erst ermöglicht haben. Merci!
Eure Larissa
Abschlussinterview mit Larissa
Wann und warum hast du dich für einen Auslandsaufenthalt entschieden?
Das stand für mich eigentlich schon sehr früh fest. Zunächst bekam ich mit wie ältere Schüler meiner Schule von ihren Plänen berichteten und später dann nach einem Jahr, perfektes Englisch sprechend, völlig begeistert zurückkehrten. Und da habe ich mir gesagt, wieso nicht! Man kann ja schließlich nicht viel dabei verlieren. Außerdem stellte ich es mir spannend vor, in ein fremdes Land zu kommen, die Kultur dort kennen zu lernen und vielleicht auch noch neue Freunde zu finden.
Auf welches Land ist deine Entscheidung gefallen?
Auf der Suche nach einer Herausforderung kam ich schnell zu derselben Frage. Zunächst habe ich über englischsprachige Länder nachgedacht, konnte mich aber zwischen den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und England nicht richtig entscheiden. Und dann kam mir die Idee es mit einem ganz anderen Land zu versuchen. Da mir die französische Sprache im Unterricht immer schon sehr gut gefallen hatte, fiel die Entscheidung dann schlussendlich auf Frankreich, genauer gesagt auf die Stadt Cholet im département „Pays de la Loire”!
Wie war die Zeit kurz vor der Abreise?
In jedem Fall ziemlich aufregend und lang. Ich konnte es gar nicht mehr abwarten! Und die 6 Monate sind nachher viel zu schnell vorbei gewesen. Vor der Abreise habe ich mir auch Sorgen gemacht, ob ich gut genug Französisch spreche. Schließlich hatte ich damals ja erst 4 Jahre Französischunterricht.
Hattest du denn vor der Abreise mit deiner Gastfamilie Kontakt?
Ja, sicher. Mit meinen drei Gastgeschwistern habe ich viel gechattet und ich habe wohl auch ein, zwei Mal mit allen telefoniert. Ich denke, dass war auch wichtig um sich schon ein wenig kennen zu lernen und alle Einzelheiten meiner Ankunft zu besprechen. Allerdings befürchte ich, dass ich zu Anfang gar nicht so viel, von dem, was sie mir erzählt haben, so wirklich verstanden hatte. Aber gut, schließlich hatte ich mich nicht für Französisch entschieden, weil es die leichteste, sondern weil es eine der schönsten Sprachen ist.
Welchen deiner ersten Tage hast du denn besonders in Erinnerung?
Ich denke, dass es da zwei gab. Zunächst einmal meinen allerersten Tag, an dem ich so herzlich von meiner Gastfamilie empfangen wurde. Dort hab ich zum ersten Mal zu spüren bekommen, was es heißt länger als 3 Stunden beim Essen am Tisch zu sitzen, was für Franzosen übrigens durchaus nichts Ungewöhnliches ist. Trotz allem war die Atmosphäre sehr gut und ich habe mich sofort sehr wohl gefühlt, auch wenn ich dem Wetterbericht im französischen Fernsehsender TF1 noch nicht so ganz folgen konnte. Bei dem zweiten Tag, an den ich mich noch gut erinnere, handelt es sich um meinen ersten Schultag, knapp 3 Tage nach meiner Ankunft. Ich denke, dass ich großes Glück hatte, dass in der Klasse „Seconde” am Lycée Sainte Marie sich noch niemand so wirklich gut kannte. Schließlich ist dies die erste Klasse der Schulform Lycée. So kam ich schnell mit vielen netten Leuten ins Gespräch und fand auch sofort einen Sitznachbar. Meine Klassenlehrerin war ebenfalls sehr nett. Allerdings erinnere ich mich an diesen Tag auch als einen der anstrengendsten. So viele neue Gesichter und Namen, neue Fächer, neue Räume, neue Bücher und neue Lehrer und dann ist da ja auch noch das Internat, in dem ich meine Wochen verbringen sollte, um dann am Wochenende in meine Gastfamilie zurückzukehren. Was also bedeutete: neues Zimmer, neue Zimmernachbarinnen, neue Internatsregeln, neue Umgebung... Das alles war ja ziemlich spannend, gepaart mit dem Dauerschwall französischen Geplappers, aber doch auch sehr anstrengend. So konnte ich an diesem ersten Schultag, der auch „la rentrée” genannt wird, vor allem Eines - gut schlafen :-)
Wie war der Schulalltag?
Mein Schulalltag hat ja eigentlich schon im Internat begonnen:
6:30 Uhr Der Wecker von Julie (die das Bett neben mir hatte) klingelt!
7:00 Julie, Roxane (die das andere Bett neben mir bewohnte) und ich, sind die Ersten in der Kantine am Frühstücksbuffet.
7:55 Zimmerschlüsselabgabe an der Rezeption.
8:00 Unterrichtsbeginn, nach einem Schulweg von 29,27 Sekunden (was soviel heißt wie: eine Treppe mit 27 Stufen runter zulaufen).
8:50 Ende der ersten Unterrichtsstunde und eiliges Hetzen zum nächsten Klassenraum (die erste Stunde hört nämlich um 8:50 auf und die zweite beginnt um 8:50, kann aber auch der gegenüberliegenden Seite des riesigen Schultraktes liegen).
9:40 Ende der zweiten Stunde und Beginn der 20 Minuten Pause, d.h. Schnell mit ein Paar Freunden ins Foyer ein „Pain au Chocolat” kaufen, bevor es keine mehr gibt!
11:40 Jetzt schnell (nach zwei weiteren Unterrichtsstunden HistoireGéo, Maths oder Français) in die Kantine zum Mittag essen einen großen Tisch für alle Freunde reservieren und beim Vorbeigehen jeden, der es nicht weiß fragen, was es denn heute auf dem Speiseplan gibt.
12:20 Jetzt erst einmal Pause, vielleicht ist ja noch ein Billardtisch im Foyer frei...
13:20 Stunde Nummer 5
17:00 Nach Stunde 8 und mit vielen Hausaufgaben im Gepäck geht es auf zur Rezeption, den Zimmerschlüssel abholen.
17:01 Im Internat steigt der Lärmpegel deutlich, der Flur füllt sich und wir entscheiden irgendein Spiel zu machen...
17:59 Jetzt aber schnell zur Hausaufgabenstunde...
18:00 Totenstille im Raum, in dem man nun eine Stunde seine Hausaufgaben machen soll, oder ein Buch lesen kann. Das einzige Geräusch was zu hören ist, sind Buchseiten, die umgeblättert werden. (Diese Disziplin liegt allerdings weniger bei den Schülern als beim immer griesgrämig dreinblickenden Aufseher.)
19:00 Schnell einen Tisch fürs Abendbrot reservieren.
19:50 Hausaufgabenstunde Nummer 2
20:50 Ende der Arbeit, meistens Treffen im Foyer
22:00 Nachtruhe
Ist das nicht sehr streng?
Das hört sich ja zunächst sehr durchgeplant und streng an, dass ist es aber überhaupt nicht, wenn man so viele nette Menschen um sich hat. Da lacht man dann doch mehr, als das man ernst ist :-) Und außerdem gibt es ja auch noch Mittwoch, an dem man nur bis 11:40 Unterricht hat und an dem abends im Internat auf großer Leinwand ein Film läuft.
Hat es lange gedauert bis du dich richtig eingelebt hast? Wie hat es mit dem Französisch geklappt?
Nein, das hat gar nicht lange gedauert. Eingelebt hatte ich mich schon nach kürzester Zeit, weil ich auch ziemlich viel Glück mit meiner Gastfamilie und meinen Zimmernachbarinnen im Internat hatte, denke ich. Und das mit dem Französisch hat auch wunderbar geklappt. Viel besser als ich es gedacht hätte. Nach zwei Wochen hab ich auch im Unterricht so gut wie alles verstanden und sogar angefangen auf Französisch zu denken und zu träumen.…
Hast du schnell Kontakte geknüpft?
Ja, auf jeden Fall! Wie bereits gesagt hatte ich dazu so viele Möglichkeiten, wie ich es mir kaum erhoffen konnte: In der Schule, in meiner Gastfamilie und auch im Internat... Ich habe aber nicht nur viele neue Bekannte sondern auch echt gute neue Freunde gefunden! Eine Freundin hat mich sogar schon hier in Dortmund besucht und ich war auch schon wieder in den Ferien in Frankreich, bei meiner Gastfamilie und bei einer Freundin.
Wie war der Unterricht?
Meistens ziemlich interessant, vor allem „Français”, weil ich dort ganz viel über die französische Sprache gelernt, viele Bücher gelesen und Texte geschrieben habe. Mathe und Latein auf Französisch waren aber auch ganz witzig. Was neu für mich war, ist dass die Franzosen unheimlich viele Klausuren schreiben, die ich dann auch immer mitgeschrieben habe. Der Englisch- und Deutschunterricht war allerdings sehr leicht und ich war bisher ein anderes Niveau gewöhnt.
Wie war denn das Essen in Frankreich?
Also dazu kann ich nur sagen, dass die ungewöhnlichsten Sachen auch richtig gut schmecken können. Man muss sich nur trauen sie zu probieren. Also an dieser Stelle einen Tipp für alle die sich nach Frankreich begeben (was ja auch wirklich eine Reise wert ist): Seid offen für alles Neue, kulinarischer Natur oder auch nicht, denn erst dann wird euer Aufenthalt zum richtigen Erlebnis. Insgesamt sollte man aber anmerken, dass in Frankreich das Essen generell eine viel größere Rolle spielt als in Deutschland.
Wie war es nach Deutschland zurückzukehren?
So wie es schwer war meine Freunde in Deutschland zurückzulassen um nach Frankreich zu gehen, genauso schwer war es dann auch meine neuen Freunde in Frankreich zu verlassen. Vielleicht war dies sogar auch noch ein wenig schwerer, weil ich genau wusste, dass ich so schnell nicht wieder mit allen vereint wäre. Natürlich vermisst man auch Einiges.…
Was vermisst du am meisten?
Zuerst natürlich die wirklich guten Freunde und Freundinnen, die ich zurücklassen musste! Was ich aber auch vermisse ist Französisch zu sprechen. Also versuche ich so gut wie möglich den Kontakt nach Frankreich über das Internet und Telefon, aber auch über die gute alte Post zu wahren. Bücher lese ich jetzt auch nur noch auf Französisch und fühle mich so Frankreich wieder ein gutes Stückchen näher.
Was hast du aus deinem Auslandsaufenthalt für dich mitgenommen?
Die Antwort ist ganz einfach: Eine ganze Menge Erfahrungen!